Karfreitag und Ostern 2020

(Werner Schwanfelder)

Die Kombination von Karfreitag und Ostern ist für mich das höchste Fest der Christenheit. (Ich verstehe nicht, warum die Katholiken den Karfreitag nicht feiern und die Österreicher den Feiertag sogar abschaffen.) In diesem Jahr bewegen mich zwei Eindrücke. Zum einen fällt das Fest als Veranstaltung aus. Auf der anderen Seite nimmt „Kar-Ostern“ einen längeren Zeitrahmen ein. Das Osterfest wird in diesem Jahr dominiert von einem Karfreitag, der Karfreitag schon vor Wochen begonnen hat, schleichend, und er will schier nicht enden. Der Karfreitag war schon immer ein eher stiller Feiertag, nunmehr ist er eine Periode des durchaus schmerzhaften Sterbens. Wir kennen die Geschichte des Karfreitags. Jesus Christus muss sein Kreuz auf den Golgatha-Hügel hochschleppen und wird dort gekreuzigt. Vermutlich ist er, wie die meisten Gekreuzigten an einem Erstickungstod gestorben. Heute, im Jahr 2020, beginnt der Karfreitag für zigtausend Menschen auf der ganzen Welt auch mit Atemnot. Viele liegen in einer Klinik im Intensivbett. So war es aber schon gestern und vorgestern. Der Karfreitag hat dieses Jahr viel früher begonnen.

Wir feiern, dass in drei Tagen alles vorbei ist. „Am dritten Tage auferstanden von den Toten“ bedeutet: am Freitag gekreuzigt, gestorben und begraben; am Samstag, dem Sabbat, hinabgestiegen in das Reich des Todes; am Sonntag auferstanden von den Toten. Wenn die Juden ihren Sabbat feiern wird auch die Gesellschaft „gedimmt“. In Israel fahren keine Busse, haben Läden geschlossen, bleiben die Clubs leer. So wie unser Lock-down bewirkt. Auch unser Leben kam zum Stillstand. So können wir, müssen wir dieses Jahr Karfreitag neu erleben, sehr anschaulich sogar.

In unserer christlichen Tradition folgt mit dem Ostersonntag ein Neuanfang, eine neue Schöpfung. Alle Menschen kommen aus ihren Häusern und Hütten, umarmen sich, freuen sich, feiern. Das wird dieses Jahr wohl nicht genau am Ostersonntag 2020 geschehen. Der Zeitbegriff wird sich auch bezogen auf den Ostersonntag dehnen.

Vom Sterben bis zur Auferstehung können es drei Tage sein, drei Monate oder auch drei Jahre. Wir werden sehen. Unsere Menschheit (wir!) wartet auf die Auferstehung. Wir wollen wieder den Tod auslachen können, ihn nicht mehr fürchten müssen. Es ist abzusehen, dass dies noch Zeit benötigt. Kalendergemäß wird es wohl keinen Osterjubel geben. Aber wir dürfen wohl hoffen, dass sich Ostern noch einstellen wird, wenn auch verzögert.

Wir müssen akzeptieren, dass unsere heutige Angst und Irritation von Anfang an zu Ostern gehört. Wir haben es nur nie so erlebt. Ebenso können wir aber auch hoffen auf eine Auferstehung, wenn das Virus besiegt ist. Wir wissen nicht genau, was Auferstehung bedeutet. In der Bibel werden meines Erachtens keine großen Bilder über „auferstehen“ gezeigt. Es ist eher so, dass der Auferstandene die Freunde und Feinde erneut verunsichert: Entsetzen und Furcht begleiten ihn. Die Auferstehung bleibt in der Bibel etwas „Unverständiges“. Das entspricht auch unserer heutigen Sprachlosigkeit. Es wird viel von Exit-Strategien gesprochen, worunter sich noch kaum jemand etwas vorstellen kann. „Auferstehung“ wird überhaupt nicht erwähnt. Ich bin sicher, wir werden eine Auf-Erweckung erleben. Sie wird uns von Furcht und Zittern zu Freude und Jubel bringen. Ich befürchte nur, dass wir uns selbst darum kümmern müssen. Wir können den Auferstandenen um Beistand bitten. Aber wir selbst müssen neue Strukturen schaffen. Nicht in alte Zeiten zurückfallen, sondern eine neue Welt errichten. In der Krise haben wir viele Schwachstellen unserer Gesellschaft kennengelernt. Nun kommt die Chance, diese zu beseitigen. Wir werden keine perfekte Welt erschaffen, wir sind ja auch selbst nicht annährend perfekt. Aber wir können uns bemühen. Vielleicht wird uns das Ostern 2020 eine ungeahnte Kraft mitgeben. Alle sind gefordert: die Politiker, die Wähler, die Lehrer, die Apotheker, die Pflegekräfte, die Müllmänner, die Postboten und die Kassiererinnen. Und sollte jemand nicht wissen, was er tun soll, dann lernt er diesen Satz auswendig: Liebe schenken, Leid lindern. Das ist mein Ostergruß.

1 Kommentar

  1. Lieber Werner, ich glaube du hast die Gefühlslage vieler Menschen getroffen – meine auf jeden Fall schon. Ich hoffe und bete, dass wir uns wirklöich eien neue Welt errichten und nicht wieder in alte Zeiten zurückfallen. dazu müssen alle (die du ja exemplarisch genannt hast)mitmachen und wir brauchen vor allen Dingen die Politiker die jetzt in der Krise stark sind aber danach nicht wieder so lasch(et) daherkommen wie zuvor. Das ist mein Osterwunsch an Gott.

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