Es ist in unserer Familie Tradition, das Vaterunser mit dem Lutherlied zu ergänzen. Eingeführt haben dies meine Eltern und meine Großmutter zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs, als es Bomben auch auf Nürnberg regnete. Wir haben das auch in Friedenszeiten so belassen. So bin ich aufgewachsen. Als Kind dachte ich, dieser Zusatz sei Bestandteil des Vaterunsers. Ich wunderte mich immer, warum im Gottesdienst nur ein verkürztes Vaterunser gebetet wurde.
Später habe ich die Gründe gekannt und wir haben die Tradition fortgesetzt, ohne viel darüber zu reden. Auch Gebete können zu Zeremonien werden, die man nicht mehr hinterfragt.
Irgendwann habe ich mich mit dem Text beschäftigt.
Verleih‘ uns Frieden gnädiglich,
Herr Gott, zu unser’n Zeiten,
Es ist doch ja kein Ander‘ nicht,
Der für uns könnte streiten,
Denn du, unser Gott alleine
Martin Luther hat dieses Lied im Winter 1528/29 getextet. Damals ging es auf der Welt recht friedlos zu: Die Türken lagen vor Wien und verbreiteten Kriegsangst und Schrecken und die Reformation stand nach ersten Erfolgen kurz vor dem Scheitern. In diese Zeit hinein verfasste Luther diesen Choral. Er besteht aus zwei Teilen: eine unüberhörbare Bitte um Frieden und zugleich die feste Zusage, dass eben diese Bitte eines Tages erhört wird.
Den Text übernahm er aus einer lateinische Vorlage. Der Zusatz „zu unsern Zeiten“ macht deutlich, dass es ihm um das Heute ging.
Wie gesagt, meine Eltern haben diese Familientradition im Zweiten Weltkrieg eingeführt, auch in einer sehr friedlosen Zeit. Wir lebten lange Zeit im Frieden. Eigentlich hat das Lied damit seinen Zweck erfüllt. Es wird auch in unserer Familie nicht weitergetragen werden. Aber jeden Morgen nach der Zeitungslektüre habe ich gedacht, dieser Zusatz muss bleiben. Denn Krieg herrscht an vielen Stellen in der Welt.
Nun wird das Corona-Virus als Kriegsgegner bezeichnet (der französische Präsident). Für mich ist das kein Krieg. Aber es ist eine Bedrohung.
Man könnte das Lied ja ein klein bisschen verändern:
Verleih‘ uns G‘sundheit gnädiglich,
Herr Gott, zu unser’n Zeiten,
Es ist doch ja kein Ander‘ nicht,
Der für uns könnte streiten,
Denn du, unser Gott alleine
So lange ich lebe werde ich auf diesen Zusatz zum Vaterunser bestehen.
Übrigens das Titelbild, das diesen Artikel begleitet ist das Lieblingsbild meiner Frau. Ich habe es ihr auf Leinwand aufgezogen und geschenkt.
Es besteht eigentlich aus vielen Bildern. Ich habe mich richtig ausgetobt: zerschnitten, übereinandergelegt, gelöscht, gedoppelt, überstrichen, zerschnitten, geklebt. Es war nicht als Kreuz geplant. Aber es entpuppte sich als Kreuz. Gut so.
Bleiben Sie gesund. Alles Gute
Werner Schwanfelder
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