Die fünf Weisen reisen zu Gott, Teil 1

1 Wie alles begann
2 Auf dem Weg
3 Ein Ort namens Weihnachten
4 Auf dem Weg nach Passion
5 Ostern sieht die Welt wieder besser aus
6 Zur Ausschüttung des Heiligen Geistes
7 Über die Trinität zur Ewigkeit

1 Wie alles begann

Friedrich Schiller schrieb und sprach in „Kabale und Liebe“: Da lag die Ewigkeit wie
ein schöner Maitag vor unsern Augen; goldne Jahrtausende hüpften, wie Bräute, vor
unserer Seele vorbei.
Es geschah vor einer Ewigkeit, als goldene Jahrtausende hüpften. Aber es gab
bereits die ersten großen Kulturen. Die Menschen hatten allerdings auch schon die
Erfahrung machen müssen, dass Kulturen vergänglich sind. Manche Völker
verschwanden aus dem Bewusstsein der Menschheit.
Viele dieser Kulturen sind zeitlich weit von unserem Heute entfernt. Wir können sie in
unseren modernen Zeiten gar nicht mehr so richtig begreifen.
Von so einer Kultur möchte ich berichten. Sie ist vergangen und doch bewegt uns
ihre Botschaft auch heute noch. Sie liegt in Asche und erblüht dennoch in unseren
modern geprägten Gedanken. Blenden wir die Dimension der Zeit aus, konzentrieren
wir uns auf das Erleben.
Also vor langer Zeit, in einer anderen Welt, auf einem Punkt des ewigen Zeitstrahls
lebte ein König. Er herrschte über ein Volk, an dessen Namen ich mich nicht mehr
erinnere. Wichtig ist, dass eben dieser König sehr anerkannt war. Er galt als weise,
bescheiden, intelligent, gerecht, verantwortungsvoll.
Nein! Das ist kein Märchen.
Eigentlich war dieser König Kaiser, aber er nannte sich aufgrund seiner
Bescheidenheit König, und dies auch nur, weil seine Berater darauf bestanden
hatten. Er war jedenfalls im Volk sehr beliebt und unangefochten. In eben diesem
Reich hatte es noch nie eine Revolution gegeben und auch nicht einmal eine noch so
kleine Revolte. Lediglich Diskussionen, in denen es um den Fortschritt des Staates
ging und um das Volk.
Eigentlich ist es unfassbar, dass der Name dieses Reiches nicht überliefert ist und
auch der Name des Königs ist unbekannt. Auf einem Dokument wird beschrieben,
dass er einen langen Bart trug und er einem einzigen Luxus frönte: Er ließ sich von
seinen Dienern ausführlich pflegen, also baden, einseifen, einkremen, massieren.
Natürlich war dies Luxus, den nicht jeder Bewohner seines Reiches frönen konnte.
Aber er war eben König und er trug die Verantwortung. Punkt.
Dieser König hatte eines Nachts eine Vision: Gott sei auf die Erde gekommen. Er
wälzte sich auf seinem Lager hin und her. Die Vision, die aus der dunklen Nacht kam
glitt hinüber in den hellen Tag. Da verkümmert manche Vision zum Nichts. Nicht so
diese Vision. Als der König erwachte, aufstand, sich reckte, da wusste er mit aller
Gewissheit, da erkannte er mit all seiner Intelligenz, da mutmaßte er mit all seinen
Gefühlen: Gott ist auf die Welt gekommen.
Der König fühlte ein Kribbeln, das ihn erfasste, ein Schaudern, das er nicht mehr
loswurde. Die Vision erfüllte ihn. Leider beinhaltet eine Vision keine Details. Und so
grübelte der König intensiv. Gott. Ja, aber um welchen Gott handelte es sich? In
welcher Gestalt wandelte dieser Gott auf der Erde? Und an welchem Ort dieser Welt
war dieser Gott aufgetaucht? Um die Schwierigkeiten des Königs zu erkennen muss
noch hinzugefügt werden, dass zu jenen Zeiten nicht die gesamte Welt bekannt war.
Der Gott hätte auch in den unentdeckten Lücken der Welt auftauchen können. Das
wäre ein Desaster gewesen – und die Vision sinnlos.
Der König erkannte bald, dass er Rat benötigte. Nicht umsonst war er König, so rief
er seine Ratgeber zusammen. Sie kamen aus allen Teilen des Reiches. Ratgeber
war kein Beruf, es war ein Attribut der Weisheit. Es gab junge Ratgeber und alte
Ratgeber, es gab weibliche Ratgeber und männliche Ratgeber. Es gab Ratgeber mit
schwarzer Hautfarbe und welche mit heller. Nicht, dass sich die Ratgeber alle einig
gewesen wären, es gab durchaus Diskussionen zwischen ihnen. Es gab auch
Wettbewerb. Jeder wollte den König beeindrucken. Es gab Ratgeber mit dem Hang
zur Profilierung.
Aber in der Halle der Weisheit, in der sie sich alle versammelten, beeinflusste,
beeindruckte sie der Geist des Königs und sie konzentrierten sich auf das
Wesentliche, auf die Vision: Gott sei auf die Welt gekommen.
Der König erklärte ihnen seine Vision. Er fragte. Er bat um Rat. Sie dachten nach.
Für eine Weile breitete sich die Stille der Gedanken aus, aber dann ersetzte diese
ein gewisses Gemurmel, das immer lauter wurde, weil Gedanken geäußert werden
wollen, und bald war es in der Halle laut, weil die Weisen ihr Wissen und ihre
Meinung austauschten. Und da sie über viel Wissen verfügten, ging es hoch her.
Diener liefen durch die Halle und boten Wasser zur Erfrischung an.
Schließlich blieb festzustellen: So sehr sie auch debattierten, so sehr sie auch
nachdachten, niemand konnte diese Fragen des Königs beantworten. Keiner der
Weisen hatten von einem Gott gehört, der auf die Welt gekommen sei.
Und es wurden tatsächlich auch einige kritische Stimmen laut, die die Vision
bezweifelten.
Keiner der Ratgeber hatte je in jüngerer und älterer Vergangenheit so eine Vision
gehabt. Warum wohl gerade der König eine solche Vision gehabt hatte?
Die Ratgeber saßen den ganzen Tag zusammen und debattierten ausführlichst.
Doch es muss gesagt werden: Außer Worten und Gebärden kam nichts dabei
heraus.
Ich habe schon darauf hingewiesen, dass der Kaiser sehr weise war. So gab er sich
nicht mit den Debatten seiner Weisen zufrieden, sondern beschied, wenn man über
eine entsprechende Erfahrung nicht verfüge, müsse man diese eben machen.
Und er schlug vor, die fünf intelligentesten Weisen des Reiches sollten losziehen und
den Gott suchen … und natürlich finden.
Natürlich – sie sollten Klarheit auf seine Fragen finden, sie sollten den Gott ehren
und sie sollten den Gott ehrerbietig in ihr Reich holen. Für Gott müsse man
investieren. Dann könne man sich auf Gott auch verlassen.
Dies erklärte der weise König.
Niemand meldete sich freiwillig. Das lag natürlich an der Fragestellung. Wer gehörte
schon zu den fünf intelligentesten Weisen des Reiches. Meldete man sich und wurde
man nicht angenommen, so war dies eine Blamage. Aber wurde man erwählt, ohne
sich gemeldet zu haben, so war dies sicherlich gleichzusetzen mit einer großartigen
Karriere.
Es wollte sich also niemand hervortun. Außerdem war solches damals auch gar nicht
üblich. So wurde es still in der großen Beratungshalle. Der König überlegte lange und
die Ratgeber schwiegen höflich und achtsam.
Dann bestimmte er eins, zwei drei, vier Männer aus dem Kreis seiner Ratgeber.
Diese erhoben sich und warfen sich ihm ehrerbietig zu seinen Füßen nieder. Und
dann wählte er auch noch eine Frau aus. Niemand wunderte sich über diese
Entscheidung, denn sie waren gewohnt, dass ihr König gerecht entschied. Und
Frauen waren bekanntermaßen genauso weise wie Männer. Manchmal weniger,
manchmal mehr.
Die fünf Gesandten wurden nun mit allem ausgerüstet, was man für eine lange Reise
eben so benötigte: feste Kleidung, Regenschutz, strapazierfähige Schuhe, ein
scharfes Messer, Glas und Teller und Topf, Feuerzeug, Gürtel, Peitsche und
natürlich Gold und Silber und Proviant, zumindest für die ersten Tage. Jeder durfte
sich auch ein Reittier aussuchen. Zwei beschlossen auf einem Kamel zu reiten, einer
wählte einen wunderschönen Hengst, ein anderer bevorzugte sogar einen Elefanten.
Die Frau entschied sich zu aller Überraschung für ein kleines, wendiges Pony.
Es dauerte eine Weile, bis die Ausrüstung zusammengestellt wurde. Die Diener des
Königs gerieten gehörig ins Schwitzen.
Zu guter Letzt übergab der König jedem von ihnen eine Taube. Die sollten sie mit
einer Botschaft versehen, wenn sie etwas entdeckt hatten, und losfliegen lassen. Die
Tauben würden ihn erreichen, denn es waren Brieftauben, die er liebevoll gezüchtet
hatte.
An einem frühen Morgen ließ der König alle zu sich in die Beartungshalle holen. Ein
Hauch seines Traums war ihm offenbar geworden. Er handelte von einem Stern.
Dieser Stern sollte ihnen Wegweiser sein. Als er auf seinen Balkon hinaus-schritt,
sah er den Stern in der Tat vor sich, groß und leuchtend und unübersehbar. Nie
zuvor hatte er einen solchen Stern gesehen.
Er erklärte den Gesandten, dass dies ihr Wegweiser sein sollte.
„Das ist ein göttlicher Stern“, sagte der König und schlug die Augen nieder. Er
achtete den Stern fast wie den gesuchten Gott.
Zum Abschied gab der König ein großes Fest. Selbstverständlich gibt es viele
Gründe, um ein Fest zu feiern. Aber ein neu entdeckter Gott ist immer ein Grund für
ein Fest. Wenn das nicht, was sonst.
Die Menschen aus dem ganzen Reich kamen zusammen, feierten ausgelassen und
priesen die Weisheit des Königs. Natürlich standen die ausgewählten Weisen im
Mittelpunkt des Geschehens und sie sonnten sich in der Bewunderung des Volkes.
Auch dies war vollkommen gerechtfertigt, denn der König ahnte, dass vor ihnen viele
gefährliche Jahre lagen. Da durften sie durchaus ausgelassen feiern und das Lob
des Volkes genießen. Und sie sollten sich immer wieder an das Fest erinnern, an das
Volk und an den König.
„Wir werden euch nicht vergessen“, sagte der König und die Gesandten freuten sich
darüber.
Aussagen – nachdenkenswert
Was können wir über Gott sagen? Nichts. Was können wir Gott sagen? Alles.
Marina Zwetajewa
Was Gott an und für sich ist, wissen wir so wenig als ein Käfer weiß, was ein Mensch
ist.
Ulrich Zwingli (1484-1531), schweizerischer Reformator
Chateauneuf, später Siegelbewahrer von Ludwig XII., ist noch im zarten Alter von
neun Jahren, als ihm der Bischof zahlreiche Fragen stellt, auf die der Junge recht
flotte Antworten weiß. Schließlich meint der Bischof: „Du bekommst eine Orange,
wenn du mir sagst, wo Gott ist.“ – „Du lieber Himmel“, gibt der Junge zurück, „Sie
bekommen zwei Orangen, wenn Sie mir sagen, wo er nicht ist.“
unbekannt |
Einst schuf Brahma die Welt und erfreute sich an seiner Schöpfung. Schließlich aber,
nach Jahrmillionen, begann er sich zu langweilen. Deshalb dachte er sich ein Spiel
aus: Er spielte Versteck mit sich selbst. Da aber Brahma allmächtig ist, konnte er sich
so gut verstecken, dass er Jahrtausende brauchte, um sich wiederzufinden. Das
gefiel ihm so gut, dass er sich erneut versteckte. Darum wissen wir heute nicht, wo er
sich gerade befindet. Er kann in der Vase dort auf dem Tisch sein oder im Baum im
Garten. In der Musik, die du gerade hörst, oder in dir. Wer weiß?
Aus Indien

 

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