2 Auf dem Weg
Jean Paul schrieb einmal: Gehe nicht, wohin der Weg führen mag, sondern dorthin, wo kein Weg ist, und hinterlasse eine Spur .
Am nächsten Tag in aller Früh machten sie sich auf den Weg. Doch einer fehlte. Der mit dem Hengst weilte noch zum Abschied bei seiner Frau und hatte verschlafen. Erst das Gejohle der Kinder weckte ihn. Schnell zog er sich an und ritt den anderen hinterher. Sein Hengst galoppierte schnell und bald hatte er die kleine Reisegruppe erreicht.
Die anderen ritten schon wohlgemut des Weges, weil sie den Stern entdeckt hatten. Er leuchtete heller als alles andere, an das sie sich erinnern konnten. Aber bemerkenswert war, dass dieser Stern auch noch leuchtete, als sich bereits die Sonne über dem Himmel ausgebreitet hatte und die gesamte Welt und das Reich des Königs mit ihrer mächtigen Leuchtkraft beschien. Doch der Stern war anscheinend mächtiger leuchtend. Er glänzte so hell, dass ihm selbst das Sonnenlicht seinen Glanz nicht verwehren konnte. Die Gesandten kamen zu dem Schluss, dass dies zweifelsohne ein göttlicher Stern war.
So zogen sie wohlgemut durch das Land.
Die Gesandten waren irgendwie aufgekratzt. Das ist so, wenn Neues vor einem liegt. Wenn man im Begriff ist, Geschichte zu schreiben. So werden sich auch einmal die Weltraumpioniere vorkommen. So wird sich jeder Mensch bei einer Existenzgründung vorkommen. So kommt sich der Mensch vor, der als erster eine Hängebrücke beschreitet.
Nein, sie sangen nicht. Sie pfiffen auch nicht vergnügt vor sich hin. Sie ritten lediglich fröhlich konzentriert.
Die Ebene, die sie gerade passierten, war fruchtbar. Sie gehörte noch zu ihrem Königreich, aber lag wohl an seiner Grenze, war ihnen jedenfalls unbekannt. Obstbäume wuchsen am Rand der Straße, kleine Hügel prägten den Horizont. Hütten standen am Wegrand und die Menschen, die in ihnen wohnten, bestaunten sie. Die Menschen in der damaligen Zeit waren es nicht gewohnt zu reisen.
Sie blieben im Allgemeinen in ihren Dörfern, wurden dort geboren und starben dort. Voller Verwunderung sahen sie die fünf Weisen und zollten ihnen Respekt, denn sie erkannten sofort, dass es sich um Weise handelte. Und Weisheit war schon immer ein hohes Gut.
Der Ruf des Königs hatte sich nicht bis hierher verbreitet, so waren sie nur auf sich gestellt. Von nun an galt nur noch ihre eigene Persönlichkeit. Sie grüßten die Menschen in einer Mischung aus Hochachtung, aber auch Überheblichkeit des Wissens. Jemand, der auf dem Weg ist, einen Gott zu suchen, ist nicht zu vergleichen mit einem Menschen, der gerade seinen Gartenzaun repariert. Das hat nun wirklich nichts mit Überheblichkeit zu tun. Es ist einfach so.
Es liegt am Stern. Es war ihr Stern. Der Stern leuchtete nur ihnen und nicht den Menschen, die ihren Gartenzaun reparierten.
„Sind wir besser?“, fragte der eine.
„Nein“, sagte die andere. „Aber wir sind unterwegs.“
„Wir sind zumindest anders.“
„Wir sind auf der Suche.“
„Lasst uns die Leute in diesem Dorf einladen, mit auf die Suche zugehen.“
Aber niemand folgte ihrem Aufruf. Der Mensch, den sie in diesem Dorf getroffen hatten, zog es vor, seinen Gartenzaun zu reparieren.
Mag es an dem Pony gelegen haben, vielleicht aber auch an der Frau, die beiden jedenfalls streiften seitlich des Weges durch die Landschaft und abseits der Straße fanden sie immer etwas Essbares, das die Gruppe abends, wenn sie sich wieder trafen, am Lagerfeuer zu sich nahm. Wohlgemut saßen sie dann beisammen. Sie erzählten sich Geschichten aus ihrer Heimat und manchmal gedachten sie auch der Zukunft. Wie es wohl sei, wenn sie den Gott gefunden hätten. Sie freuten sich schon über die Ehrungen, die ihnen ihr König sicherlich gewähren würde.
Manchmal schenkten ihnen auch die Dörfler etwas. Dann mussten sie erzählen, woher sie kamen und wohin sie gingen. Das machten sie voller Freude, berichteten von dem mächtigen König, der so voller Güte war, aber auch voller Neugierde. Sie seien seine Gesandten und damit die Speerspitze seiner Neugierde. Sie wollten ihre Erfahrungen zurückmelden an ihren König.
Sie sind auf der Suche nach Gott.
„Kennt ihr einen Gott, der einen Stern als Wegweiser hat?“, so fragten sie die Dörfler. Aber alle verneinten.
„Wollt ihr mit uns kommen, den Gott zu suchen?“, fragten sie. Aber die Dörfler verneinten erneut. Sie brachten nicht so viel Begeisterung auf. Und die Gesandten konnten nicht ausreichend überzeugen.
So verabschiedeten sie sich und zogen weiter ihres Weges.
„Wir dürfen nicht verharren“, sagten sie, „denn auf uns harrt Gott.“
Und sie bestiegen ihre Reittiere und entfernten sich langsam, aber zügig.
Aussagen – Nachdenkens wert
Eigentlich solle ich mich schämen, Gott mit meiner Person zu behelligen. Aber seltsam, ich fühle, dass sich Gott mit mir beschäftigt.
Karl Gutzkow (1811-78), dt. Schriftsteller
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